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6. Ausgabe
Kleider machen Leute - Doch Leute machen auch Kleider
Der Ausdruck Kleider machen Leute geht auf eine Novelle von Gottfried Keller zurück und er kann mehr oder weniger mit der polnischen Phrase jak cię widzą tak cię piszą umschrieben werden. Doch wenn man sich dieses Sprichwort genauer ansieht, kommt man nicht umher, zu bemerken, dass Kleider doch wörtlich genommen von Schneidern und übertragen allgemein von Leuten gemacht werden. Diese Binsenwahrheit scheint so offensichtlich, dass sich dagegen kaum polemisieren lässt. Da das Polenbild (auf das Land) und das Bild der Polen (auf dessen Einwohner bezogen) sehr negativ ist und sich nur sehr langsam ändert, ist es nicht von ungefähr, sich die Frage zu überlegen, inwieweit wir selbst und unseren Staat in solchen Kleidern sehen lassen, die die Deutschen in ihren negativen Vorurteilen und Stereotypen über Polen bestätigen. Als ich von eineigen Monaten eine deutsche Gruppe durch unsere Stadt und deren Umgebung führte, konnte ich auf Schritt und Tritt wahrnehmen, wie sehr sie sich wunderten, dass es bei uns schöne Häuser gibt, dass viele Leute schick angezogen sind, dass es viele Restaurants und Gaststätte gibt, in denen gutes Essen serviert wird. Am Ende freute ich mich sehr, dass sie doch so positiv überrascht wurden und so viele positive Eindrücke mit nach Hause nahmen. Zur gleichen Zeit bekam ich ein Bilderbuch über Polen geschenkt, das allerdings auf Deutsch, also in erster Linie für unsere westlichen Nachbarn bestimmt ist. Es wurde im Jahre 2000 von einem sehr bekannten Verlag (Arkady) herausgegeben, der, seit 1957 auf dem Büchermarkt, sehr viele gute, anspruchsvolle aber auch schöne Werke auf den Markt brachte. Der Umschlag, auf dem schwarze Wolken zu sehen sind, die darauf verweisen, dass ein schweres, heftiges Gewitter heranzieht, stimmte mich gleich pessimistisch, aber ich dachte mir, dass sei nur der Umschlag, und wandte mich dem Inhalt zu. Doch je länger ich mich mit dem Album beschäftigte, desto trauriger wurde ich. Im Allgemeinen wird in diesem Bilderbuch das Polenbild präsentiert, das die Lage der achtziger Jahre wiedergibt und mit dem gegenwärtigen Zustand glücklicherweise immer weniger zu tun hat. So herrschen auf den Straßen Syrenas, Trabis und schrottreife LKWs vor. Auf dem Markt von Breslau (S. 153) gibt es noch Verkehr, so dass vor dem Rathaus wieder zwei Syrenas ein Warschau und einige alte polnische Fiats zusehen sind, die darauf verweisen, dass das Bild vor zumindest 15 Jahren gemacht wurde. Auf einem Bild von Warschau sind sogar sehr alte Busse zu sehen, die in der polnischen Umgangssprache als „Gurken“ (ogórki) bezeichnet wurden (S. 198). Doch der „beste“ Bus (der Hit des ganzen Albums) wurde in Krakau fotografiert (S. 100). Vielleicht kann man heute noch solche Busse sehen und bewundern, allerdings in einem Verkehrsmuseum und nicht auf Polens Straßen. In Anbetracht der Tatsache, dass das Auto in der deutschen eine sehr große Rolle spielt, muss angenommen werden, dass solche Raritäten der Aufmerksamkeit des deutschen Lesers nicht entgehen werden. Die Frage, was er sich dabei denken mag und ob er vielleicht so zu einer Reise nach Polen motiviert wird, lasse ich unbeantwortet. Für mich gehört eine solche Bilderwahl (Andrzej Łotysz ist dafür verantwortlich) bestraft, denn völlig veraltete Bilder gelten in diesem Bilderbuch für alle präsentierten Städte. So konnten keine positiven Änderungen der letzten zwölf Jahre (renovierte Städte, beleuchtete Sehenswürdigkeiten u. dgl.) erfasste werden. Stattdessen soll der Leser die „Schönheit“ des Eisenhüttenkombinats mit rauchenden Schornsteinen und kleinen Arbeiterhäuschen im Vordergrund (S. 85), bzw. eine in den 70er Jahren erbaute Betonhochhäuserwohnsiedlung bewundern. Toll gewählt, Herren Redakteure! Die vorhin erwähnten schwarze Wolken vom Umschlag, die mich pessimistisch einstimmen, kommen auch bei der Darstellung anderer Landschaften vor (S. 118-119; 162-163). Diese Bilde geben eine traurige, unruhige, hoffnungslose Stimmung wieder, vielleicht die Stimmung des 1981 eingeführten Kriegszustandes. Diese Stimmung ist auch an vielen Gesichtern der fotografierten Menschen ablesbar (etwa auf Seite 83). Im Falle dieser Veröffentlichung soll also der Verlag sich entweder an die Brust schlagen und die noch nicht verkauften Exemplare zurückziehen und vernichten lassen oder sein Album mit einer großen Aufschrift versehen, dass die darin enthaltenen Bilder einen historischen Charakter haben und das Polen der 80er Jahre darstellen. Denn wenn wir selber solch ein Polenbild vermitteln, sollen wir uns nicht wundern, wenn ausländische Touristen glauben, in polnischen Wäldern weise Bären begegnen zu können. Wenn das Sprichwort Kleider machen Leute stimmt, sollen wir als Schneider uns um deren Qualität bemühen.
Lech Zieliński